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Turmstraße 4

Roman

Erschienen am 11.09.2017
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783903005358
Sprache: Deutsch
Umfang: 208 S.
Format (T/L/B): 2 x 21.2 x 13.1 cm
Einband: Leinen

Beschreibung

Alles könnte so einfach sein für Martha und Karl, doch das Leben legt ihnen nur Steine in den Weg. Während sie unter ihrem gewalttätigen Vater leidet, findet er seit Jahren keine Arbeit und kann seine Eltern und Geschwister nicht unterstützen. Die Gründung einer gemeinsamen Familie rückt ohnehin immer mehr in die Ferne, sie leiden Hunger und Kälte, die Not scheint kein Ende zu nehmen. So wie dem jungen Paar geht es vielen Menschen in Wien zu Beginn der 1930er-Jahre. Die beiden fassen schließlich einen folgenschweren Entschluss. 'Turmstraße 4' ist eine ungeschönte und herzzerreißende Sozialstudie der Arbeiterklasse, die neben bitterer Verzweiflung auch Hoffnung zeigt.

Autorenportrait

Hans Weinhengst, 1904 in Niederösterreich geboren, 1945 in Berlin gestorben, war im Widerstandskampf der österreichischen Arbeiter gegen den Faschismus aktiv und ein führendes Mitglied der sozialistischen Esperanto-Bewegung. Er publizierte Lyrik und Prosa und übersetzte Arbeiterlieder in Esperanto. 1934 erschien sein Roman Turstrato 4, der nun erstmals in deutscher Übersetzung publiziert wird.

Leseprobe

I. Ein grauer, heruntergekommener Wohnklotz. Das ist das Haus Nummer 4 in der Turmstraße. Wenn ich 'grau' sage, beschreibe ich die Farbe der Mauern nicht ganz treffend. Sie sind in Wahrheit undefinierbar widerwärtig. Das Eckhaus, bei dem die Turmstraße die Trostlos-Straße schneidet, unterscheidet sich nicht merklich von den Nachbarbauten oder den vielen anderen Gemäuern in diesem Wiener Arbeiterviertel. Allerdings vereint es alle üblen Eigenschaften solcher Zinskasernen in besonderem Ausmaß. Die verfallene Fassade ist altmodisch verschnörkelt mit allerhand künstlichen Vorsprüngen und halb verwitterten Figuren über den Fenstern. Die Farbnuancen der Fensterrahmen sind nicht in ein, zwei Worte zu fassen - vor vielen Jahren waren sie vielleicht braun. Insgesamt bietet das Haus nichts dem Auge Schmeichelndes, mit Ausnahme verschiedenster Blumen, Blattpflanzen und Kakteen, die in fast jeder Fensternische zu sehen sind. Das Hausinnere zeigt auf den ersten Blick unverhohlen, dass die gesamte Konstruktion einzig dem Streben nach Ausbeutung folgt: Das Stiegenhaus und die Gänge sind schmal, der erdrückend enge Hof - 'Lichthof' genannt - ist der den Bauvorschriften geschuldete einzige freie Raum, die Wohnungen sind winzig, dafür aber zahlreich. Das vierstöckige, nicht auffallend große Haus umfasst sechsundfünfzig Wohneinheiten, die größtenteils aus je einer kleinen, dunklen Küche und einer Kammer mit einem einzigen Fenster bestehen. Das ganze Treppenhaus und mit ihm mehr oder weniger auch die Wohnungen sind erfüllt vom ekelhaften Gestank aus den alten Aborten, pro Stockwerk sechs an der Zahl. An heißen Tagen im Sommer und kalten im Winter, wenn die Fenster wegen des Frosts geschlossen bleiben, wird dieses Odeur unerträglich, vor allem zur Mittagszeit, wenn sich mit ihm diverse Gerüche aus fünfzig oder mehr Küchen vermengen. Aus vierzehn Türen, eng aneinandergereiht, strömen die Menschen zum einzigen Wasserhahn der Etage. Und Menschen gibt es hier viele: Im ganzen Haus wohnen an die dreihundert, in den winzigen Wohnungen oft zu siebt oder zu acht zusammengepfercht, aneinanderklebend, einander in die Quere kommend bei jeder Bewegung. Natürlich sind solche Massenquartiere unweigerlich auch Nistplätze finsterer Dämonen: Armut, Stumpfsinn, Hass, Verdruss, Verzweiflung und andere. Das edle Gewächs der Nächstenliebe kann unter solchen Umständen nur kümmerlich vegetieren, auch wenn die Herzen gerade der Menschen dieser Klasse grundsätzlich ein guter Nährboden dafür wären. Unfrieden, Krawalle und lärmende Auseinandersetzungen sind Alltag im Haus Turmstraße Nummer 4. Ob Tratsch oder unvereinbar scheinende Ansprüche einen Konflikt zwischen Hausparteien auslösen, oder ob ein Familienkrach aus diesem oder jenem Grund die Gemüter erhitzt - die wahre Ursache ist wohl meistens das Elend, das doch allen gemeinsam ist. [.]

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