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Eine Tonne für Frau Scholz

Roman

Erschienen am 25.03.2014
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783943167788
Sprache: Deutsch
Umfang: 220 S.
Format (T/L/B): 2.2 x 20 x 14 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Nina Krone wohnt im letzten unsanierten Mietshaus der Gegend, klar, dass man hier noch mit Kohle heizt. Und keiner der Nachbarn ist unter 50 Jahre alt. Eines Tages kann sie es nicht mehr ertragen, das Leiden an der Welt, das ihre Nachbarin, Frau Scholz, vor sich herträgt. Um ihr demonstratives Schnaufen beim Kohleschleppen nicht mehr mit ansehen zu müssen, beginnt sie damit, ihr jeden Tag einen Eimer Briketts vor die Tür zu stellen. Das freut Frau Scholz zuerst gar nicht, doch dadurch kommen sie ins Gespräch. Doch auch Nina hat ihr Päckchen zu tragen: Ihre Arbeit frustriert sie, ihr Chef wird immer seltsamer und ihre Freunde, tja, da gibt es nicht viele. Sie steckt in einer Sinnkrise, und zu allem überfluss konfrontiert ihr Sohn Rafi sie mit der Nachricht, dass er und sein Freund zusammen mit einem lesbischen Pärchen ein Kind bekommen möchten. Ihre Tochter Ella wiederum wirkt so diszipliniert und nur auf ihr berufliches Fortkommen fixiert, geradezu unheimlich. Sarah Schmidts Roman erzählt von einer Freundschaft zwischen den Generationen und von einer Familie, die aus den Fugen gerät. Ihre lebensnahen Schilderungen und Dialoge sind - wie immer - voller Komik und doch ganz ernst.

Autorenportrait

Sarah Schmidt wurde 1965 in Dinslaken am Niederrhein geboren und zog 1976 mit der Familie nach Westberlin. Seit 1981 lebt sie in Kreuzberg und arbeitet seit 1994 als Autorin. Von 1995 an gehört sie als Stammmitglied zum 'Frühschoppen', der ersten Lesebühne Deutschlands, und war über viele Jahre hinweg die einzige Frau auf Berlins Lesebühnen. 2003 erhielt sie das Autorenstipendium des Rowohlt-Ledig-Houses, New york. Sie veröffentlicht regelmäßig Texte in Anthologien und Zeitschriften. 2006 hatte ihr Theaterstück über Billie Holiday 'Strange Fruit' Premiere. Im Verbrecher Verlag erschienen der Roman 'Dann machen wir's uns eben selber' (2004) und die Erzählbände 'Bad Dates' (2007) und 'Bitte nicht freundlich' (2010). Mehr unter: www.sarah-schmidt.de

Leseprobe

Am vierten Tag riss sie unvermittelt die Tür auf und blaffte mich an: 'Meinen Sie, Frau Krone, es ist angenehm, ungefragt so behandelt zu werden, als sei man bekloppt?' 'Vielleicht', holte ich Luft, 'könnten Sie es so nehmen, wie ich es meine, nämlich nett?' 'Also in meiner Generation ist >nett< ein Schimpfwort. Und im übrigen finde ich nicht, dass Sie wie eine nette Person wirken.' 'Stimmt. In meiner Generation sagt man, nett ist die kleine Schwester von Scheiße. Ich meine>freundlich<, das mit den Kohlen ist freundlich von mir.' 'Mir scheint, Ihre Generation ist nicht besonders witzig. Und freundlich ist auch nicht besser. Wie sagen Sie und Ihre Altersgenossen dazu? Freundlich ist der Bruder von Kacke?' Nicht schlecht, ungewollt musste ich grinsen. 'Na gut, Frau Scholz, dann sage ich Ihnen, wie es in Wahrheit ist. Mir geht es wahnsinnig auf die Nerven, wie Sie sich durch den Hausflur schleppen. Immer tragen Sie einen Eimer Vorwürfe mit sich herum. Und Leid, ganz viel Leid. Und dabei sind Sie doch wahrscheinlich Witwe und gehören zu der Generation, der es ein Leben lang gut ging. Und trotzdem immer dieses Meckern und Jammern. Das konnte ich nicht mehr mit ansehen. Deshalb die Kohlen. Außerdem kann ich Alte nicht leiden, ständig soll man die anfassen und ihnen den Arm als Stütze anbieten, obwohl sie noch sehr gut alleine laufen können, nur um ihnen zu zeigen, dass sie immer noch dazugehören, zu was auch immer, oder dass sie nicht alleine sind, obwohl sie es doch sind, oder weil sie angeblich nicht mehr alleine aufstehen können. Das widert mich an. Entschuldigung.' [.] Frau Scholz saß da, sie hatte den Blick gesenkt, die Hände im Schoß gefaltet, sie blieb einen Moment still. Dann sah sie auf, schaute mir in die Augen und sagte: 'Sagen Sie mal, sind Sie etwa eine Konvertierte?' 'Was soll das denn sein?' Sie verdrehte die Augen: 'Eine Sapphistin.' 'Sagt mir auch nichts.' 'Mein Gott: Sind Sie eine warme Schwester?' 'Ach, Sie wollen wissen, ob ich eine Lesbe bin. Nein, wie kommen Sie denn darauf?' 'SIE reden doch die ganze Zeit davon, mich anfassen zu wollen.' 'Nein, ich sagte, ich möchte keine alten Menschen anfassen müssen. Das finde ich eklig. Tut mir leid.' 'Wissen Sie, das muss es nicht. Ich möchte nämlich auch auf gar keinen Fall von Ihnen angefasst werden.' Jetzt senkte ich meinen Blick.

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